Für das Entwicklungsprojekt „Agile goes NonProfit“ ist es von essenzieller Bedeutung, den status quo zur Agilität in zivilgesellschaftlichen Organisationen zu erfassen. Im Rahmen der Recherchephase des Projektes wurde deshalb im Januar 2020 eine Umfrage durchgeführt. Diese hat zum Ziel, aussagekräftige Einblicke in die Arbeitsweisen gemeinnütziger Organisationen zu erhalten. Denn nur wenn bekannt wird, ob und inwiefern agile Methoden bereits genutzt werden, können weitere Schritte für den agilen Wandel eingeleitet werden.
Umfragedesign
Der internetbasierte Fragebogen richtete sich an Non-Profit Organisationen in Deutschland, wobei der Fokus auf Organisationen mit Hauptsitz in Brandenburg lag. Es beteiligten sich insgesamt 257 Akteur*innen gemeinnütziger Organisationen mit einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von etwa 12 Minuten. Die insgesamt 37 Fragen teilten sich in verschiedene Themenkomplexe auf und durchliefen die nachstehende Reihenfolge:
- die strukturelle und demografische Situation der Organisation
- der Stand der aktuellen Arbeitsweisen innerhalb der Organisation
- die Anwendung agiler Methoden auf eine implizite oder explizite Weise
- die internen und externen Hürden einer Organisation
- die Interessenabfrage für eine weitere Zusammenarbeit
Die überwiegend geschlossenen Fragen konnten entweder mittels einer Mehrfachwahl oder einer vierstufigen Skala beantwortet werden. Die geschlossenen Fragetypen waren somit nominal und ordinal skaliert. Die Antworten zu internen und externen Hürden von Organisationen wurden hingegen über einen offenen Fragetyp erhoben, anschließend codiert und waren dementsprechend auch nominal skaliert.
Umfrageergebnisse
Im Folgenden werden die wichtigsten Umfrageergebnisse der bereits aufgelisteten Themenkomplexe vorgestellt.
Die Ergebnisse zur allgemeinen Situation in den Organisationen zeigen, dass vor allem Vereinsmitglieder an der Umfrage teilnahmen. In Bezug auf die strukturelle Situation der Organisationen ist zu erkennen, dass die Umfrageteilnehmer*innen überwiegend in einem ehrenamtlichen Beschäftigungsverhältnis arbeiten (s. Abb. 1). Eine weitere Häufigkeitsverteilung zeichnet sich darin ab, in welchen Arbeitsbereichen die Organisationen tätig sind. Mit der größten Häufigkeit beschäftigen sich die Organisationen im Bereich Umwelt- und Naturschutz. Mit abnehmender Häufigkeit folgen die Arbeitsbereiche Bildung und Forschung, Kultur und Erholung sowie Internationale Aktivitäten.
Einblicke in die aktuell genutzten Arbeitsweisen werden über die bereits erwähnte Skala zwischen 0 und 4 erlangt. Eine 0 bedeutet dabei eine völlige Ablehnung, bei einer 4 trifft die Aussage voll zu. Bei den meisten Ergebnissen dieses Themenkomplexes spiegelt sich eine Tendenz ab. Beispielsweise beantworten die meisten Teilnehmer*innen die Frage, ob Projekte in Ihrer Organisation klaren Zielvorgaben folgen würden, mit eher bis vollkommen zutreffend (s. Abb. 2). Eine weitere Tendenz zeichnet sich darin ab, dass die Organisationen überwiegend klare Rollen (s. Abb. 3), sowie klare interne Arbeitsabläufe definieren (s. Abb. 4).
Trotz klar vorhandenen Zielen, Rollen und internen Arbeitsabläufen bestätigt die Mehrheit an Umfrageteilnehmer*innen, dass deutlich mehr Beschäftigte gebraucht würden, um Aufgaben gut erledigen zu können (s. Abb. 5). Auch die Digitalisierung wird in diesem Fragenkomplex thematisiert. Gut ein Drittel der Befragten gibt an, dass digitale Werkzeuge und Tools zur internen Kommu-nikation bei der täglichen Arbeit bereits zum Einsatz kommen (s. Abb. 6).
Der
dritte Themenkomplex zielt auf den Stand der Agilität und die Verwendung
agiler Methoden in den Organisationen ab. Es wird dabei zwischen implizit und
explizit arbeitenden Organisationen unterschieden. Eine Organisation arbeitet
explizit agil, sofern moderne Arbeitsweisen bereits thematisiert werden und
mindestens eine der agilen Konzepte verwendet wird. Diese Anforderungen treffen
als Ergebnis der Umfrage auf etwa 18% aller Organisationen zu (s. Abb. 7).
Eine Organisation arbeitet hingegen implizit agil, wenn das agile Mindset und Methoden in ihren Arbeitsweisen bereits einfließen. Das bedeutet zum Beispiel, dass die entsprechende Organisation eine hohe Anpassungsfähigkeit in ihrer Arbeitsweise aufweist und bereit ist, neue Wege zu gehen, um Projekte noch wirksamer umzusetzen. Jedoch werden in diesem Fall die Konzepte des agilen Projektmanagements noch nicht bewusst in die Organisationsstruktur integriert und auch sonst findet Agilität noch keine Thematisierung. Die Antworten der Umfrage ergaben, dass bereits über 80% der Organisationen agile Methoden implizit anwenden (s. Abb. 8).
Die offenen Fragetypen zu den internen und externen Hürden in Organisationen werden mittels einer Codierung der am häufigsten gegebenen Antworten ausgewertet. Sowohl als interne, als auch externe Hürde, wird der Mangel an Ressourcen und die Trägheit am häufigsten genannt. Vor allem die interne Kommunikation einer Organisation wird als besonders hinderlich beschrieben (s. Abb. 9). Außerdem gibt es Schwierigkeiten in der Demographie, Aufgabenklarheit und bei internen Fachkenntnissen. Bei den externen Hürden werden häufig die fehlenden Handlungsspielräume genannt (s. Abb. 10). Die Antworten gehen damit einher, dass eine gute Kommunikation, Vertrauen und Teamarbeit als die essenziellsten Aspekte für eine zeitgemäße und wirksame Zusammenarbeit gewertet werden.
Zum Schluss der Umfrage hat sich die Mehrheit an Umfrageteilnehmer*innen dazu bereit erklärt, für Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Auch ein mehrheitliches Interesse am Forschungsprojekt mitzuwirken ist vorhanden. Das angegeben Interesse am Forschungsprojekt mitzuwirken deckt sich zudem mit den Ergebnissen zu der Veränderungsmotivation. Denn die Mehrheit an Umfrageteilnehmer*innen gibt an organisatorischen Veränderungen gegenüber aufgeschlossen zu sein (s. Abb. 11).
Diskussion und Fazit
Die Ergebnisse der Umfrage ermöglichen uns vielerlei Einblicke in die allgemeine Situation, in die Arbeitsweisen und die Thematisierung von agilen Methoden in einzelnen Organisationen.
In Bezug auf die allgemeine Situation lässt sich sagen, dass die Organisationen weniger aus hauptamtlichen, sondern überwiegend aus ehrenamtlichen Mitarbeitenden bestehen. Da ehrenamtliche Strukturen meist durch große Fluktuationen, Veränderungen oder andere organisatorische Unregelmäßigkeiten geprägt sind, ist eine hohe Anpassungsfähigkeit in der Arbeitsweise besonders wichtig. Die Anwendung agiler Arbeitsmethoden ermöglicht Organisationen eine solch hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu erreichen.
Dass der überwiegende Teil an Organisationen bereits ein hohes Potenzial aufweist, den agilen Wandel zu beschreiten, zeigt sich an den Ergebnissen zu den aktuell genutzten Arbeitsweisen. Denn um agil arbeiten zu können, ist es von essenzieller Bedeutung, klare Zielvorgaben, Rollen und Arbeitsabläufe intern zu definieren. Zudem ist es von Vorteil, dass digitale Werkzeuge und Tools bereits mehrheitlich angewendet werden. Auch wenn bei der Umfrage nicht erhoben wurde, welche digitalen Werkzeuge die Organisationen verwenden, stellt allein die Bereitschaft für neue digitale Tools einen weiteren Schritt in die agile Arbeitswelt dar.
Die genannten Potenziale, neue agile Arbeitsweisen anzuwenden, führen auch dazu, interne und externe Hürden der Organisationen zu überwinden. Wie in vielen gemeinnützigen Bereichen, ist der Mangel an zeitlichen und personellen Ressourcen hoch. Agile Arbeitsweisen greifen diese Engpässe auf und ermöglichen durch klar definierte Arbeitsabläufe, Prozesse und agile Werte eine erfolgreiche Projektumsetzung. Als besonders hilfreich dient dazu die von den Organisationen angegebene hohe Veränderungsmotivation.
Die anfänglich aufgestellte Hypothese, dass der Großteil an gemeinnützigen Organisationen implizit agil arbeitet, konnte somit bestätigt werden. Der Anteil an implizit und explizit agil arbeitenden Organisationen ist sogar weitaus höher als erwartet. Für das Entwicklungsprojekt gilt es nun herauszufinden, wie der Erfahrungsaustausch zu agilen Arbeitsweisen und somit der Anteil an explizit arbeitenden Organisationen erhöht werden kann. Im Projekt wurde daher die Idee eines Botschafternetzwerkes aufgegriffen, das Kollaborationen und Austausche zu best practice Beispielen ermöglichen wird.