Neben der Erfassung von „Best Practices“ ermöglichen die Interviews neue Erkenntnisse zu den besonderen Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Agilität im gemeinnützigen Bereich. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die von den interviewten Organisationen genannten Herausforderungen und Hindernisse in der Einführung neuer Arbeitsweisen verschaffen.
Genauso wertvoll für das Projekt sind die aus den Interviews gewonnenen Vorschläge zum Aufbau und Inhalt des Kompass Agile NGO. Diese gelten als wichtige Orientierungshilfe für die Entwicklung eines bestmöglichen Endproduktes, dass den Bedürfnissen der Nutzer*innen entspricht und die genannten Herausforderungen berücksichtigt. Auch die gesammelten Vorschläge werden in diesem Beitrag zusammengefasst vorgestellt.
Herausforderungen
In der Recherchephase des Entwicklungsprojektes wurde bereits im Januar 2020 eine Umfrage durchgeführt, an der 257 Akteur*innen gemeinnütziger Organisationen teilnahmen. Unter anderem wurde danach gefragt, welche internen und externen Hürden die Wirksamkeit der Organisationen hemmen. Sowohl intern als auch extern, galten Ressourcenmangel und Trägheit als größte Herausforderung für eine wirksame Arbeitsweise. Intern wurde zusätzlich die Kommunikation als hinderlich beschrieben, aber auch Demographie, Aufgabenklarheit und Fachkenntnisse erweisen sich als besondere Herausforderungen. Als weitere externe Hürden wurden insbesondere fehlende Handlungsspielräume und Akzeptanz genannt. Diese Muster sind in vielen Punkten deckungsgleich mit den Inhalten der Interviews, wenn es darum geht, welche Herausforderungen die Einführung neuer Arbeitsweisen mit sich bringt.
Auch hier nannte eine Mehrzahl der Organisationen Ressourcenmangel als einen zentralen Faktor. Sowohl zeitliche, finanzielle als auch personelle Ressourcen sind im zivil-gesellschaftlichen Sektor grundsätzlich knapp und erschweren strukturelle und prozessuale Umstellungen. Insbesondere der Zeitmangel hemmt die Umsetzung neuer Arbeitsweisen. Hier wurde auch die große Anzahl ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen als Ursache genannt, da diese nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen bzw. auch anderweitig beschäftigt sind. Da vorhandene Ressourcen stark variieren, wurde auch die Planungsschwierigkeit betont.
Die meisten Organisationen gehen davon aus, dass die Einführung agiler Methoden nur schwer innerhalb der Organisation gelöst werden kann. Es braucht eine gewisse Expertise und Erfahrung, um agile Arbeitsweisen zu etablieren. Die Frage ist dann, wie das Wissen über die Handhabung und den Nutzen der agilen Methoden in die Organisation hineingetragen wird. Für externe Berater und Aus- oder Weiterbildungen fehlen oft die finanziellen Ressourcen. Entscheidet man sich für einen Selbstlernprozess, können auf personeller Ebene Schwierigkeiten bei der Verteilung von Zuständigkeiten entstehen. Abgesehen davon, ist ein Selbstlernprozess kaum umsetzbar, wenn digitale Arbeitsweisen noch nicht etabliert sind.
Auch die fehlenden Handlungsspielräume wurden in den Interviews thematisiert. Da Mitarbeiter*innen oft auf öffentlich geförderten Stellen sitzen, die mit konkreten Aufgaben verbunden sind, fehle freien Kapazitäten um Neues auszuprobieren. Dies hemmt die Innovationsfähigkeit.
Zudem stellt das Verlassen von Routinen für viele Interviewpartner*innen eine Hürde dar, die Angestellte überfordern kann. Durch den Hang zu klassischen Arbeitsweisen, ist die Motivation Neues zu erlernen möglicherweise eingeschränkt, auch wenn ein gewisser Bedarf erkannt wird. Insbesondere für Organisationen mit Personal aus älteren Generationen stellt eine grundlegende Umstellung der Arbeitsroutinen eine besondere Herausforderung dar.
Auf die Strukturen von Non-Profit-Organisationen wurde noch weiter eingegangen: Sind diese hierarchisch strukturiert, sind weitreichende Veränderungen oft schwierig durchzusetzen, da diese von der obersten Instanz abhängen. Dazu kommt, dass es manch kleine Organisationen überfordern kann, agile Arbeitsweisen aus größeren Organisationen auf die eigene zu übertragen.
Überwindet man die genannten Hürden in der Einführung agiler Arbeitsweisen, können diese Umstellungen sehr unterstützend auf die grundsätzlichen Herausforderungen zivilgesellschaftlicher Organisationen einwirken. Der Kompass Agile NGO will eine entsprechende Einführung, angepasst an die besonderen Merkmale gemeinnütziger Organisationen, ermöglichen.
Vorschläge für den Kompass
Im letzten Teil des Interviewleitfadens wurde zunächst danach gefragt, welche Schritte und Mittel die Interviewpartner*innen in der Einführung neuer Arbeitsformen als grundsätzlich hilfreich ansehen. Mit direktem Bezug zum Kompass war anknüpfend von Interesse, was in einem Handbuch für agiles Arbeiten inhaltlich enthalten sein sollte. In diesem Zusammenhang wurde auch erfragt, welche Medien für die Umsetzung des Leitfadens bevorzugt werden. Die Antworten ergaben aufschlussreiche Erkenntnisse für das weitere Vorgehen im Entwicklungsprojekt.
Zur Einführung des Lernmediums:
Mehrmals betont wurde, dass eine Bestandsaufnahme der Situation als erster Schritt hilfreich bzw. auch erforderlich sei. Um zu wissen, wie man ansetzt, müssen Bedingungen, Anforderungen und Bedürfnisse in der jeweiligen Organisation geklärt werden. Auch wurde erwähnt, dass es zunächst wichtig sei, eine Zielgruppe in den Organisationen zu definieren, die man ansprechen will. Diese Personen können die Inhalte dann breit in die Organisation hineintragen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass rein schriftliches Material nicht ausreichend sei, um ein grundsätzliches Interesse zu wecken. Hier besteht auch immer das Risiko der Überflutung mit Informationen und Materialien. Anfangs sei deshalb der persönliche Kontakt (in Form eines Beratungsangebotes) entscheidend, um augenscheinlich zu machen, dass mit den Maßnahmen auch ein Bedürfnis befriedigt wird.
Zum Inhalt:
Die inhaltliche Auslegung betreffend, meinten alle interviewten Praxisvertreter*innen übereinstimmend, dass eine Kombination aus Theorieinput, Praxisbeispielen und praktischer Anwendung die beste Lösung darstellt. Auch wenn auf theoretische Betrachtungen nicht verzichtet werden kann, sind Möglichkeiten der Anwendung theoretischer Inhalte notwendig, um Lernerfolge erzielen zu können.
Anregungen:
- Verständlich und einfach formuliert
- Pragmatisch/praxisorientiert (Textreduzierung)
- Kein rein theoretischer Aufsatz ohne Praxisbeispiele
- Step-by-Step: Schrittweise Anleitung, in der sowohl theoretischer Kontext als auch Praxisbeispiele vorgestellt werden,damit ein Bild davon entsteht, wie agiles Arbeiten für einen selbst und für die eigene Organisation aussehen kann
- Methoden und Tools, die man direkt anwenden kann
- Anleitung, für welche Bereiche und mit welchen Zielen man die Tools am besten einsetzt
- Arbeitsbuch (und kein Informationsbuch), damit der Input direkt auf die eigene Organisation übertragen werden kann
- „Hausaufgaben“ integrieren
- Checklisten, die man gemeinsam im Team abarbeiten kann
- Überblick zur Thematik
Zum Medium:
Auch das Medium betreffend, wurde einheitlich eine Kombination aus mehreren Formen der inhaltlichen Darstellung vorgeschlagen. Dem voraus ging die Frage, ob ein analoges oder digitales (Web- oder Videokurs) Handbuch präferiert werden würde.
Anregungen:
- Eine Kombination aus gedruckten Basisinformationen und weiterführende Informationen oder Materialien, die online verfügbar sind
- eine digitale Arbeitsplattform, um praktisch ins Thema einzusteigen und parallel dazu ein Handbuch zum Nachlesen und Vertiefen
- Methodenhandbuch als gedrucktes Exemplar und ergänzend zu allen Methoden Dateien oder Materialien, die online verfügbar sind
- Unterschiedliche Lerntypen (Generationsfrage) – durch die Kombination digitaler und analoger Angebote hat man mehrere Lernoptionen